Den Landtagskandidaten auf den Zahn gefühlt
Josefine Paul von den Grünen, Simone Wendland, CDU, Thomas Marquardt, SPD und Benjamin Körner von den Linken (die FDP hatte krankheitsbedingt abgesagt) erhielten einen tiefen Blick in das Seelenleben der Polizei und mussten sich bisweilen ihrer Haut erwehren.
Die Personalstärke wollen alle bis auf die Linken erhöhen. Simone Wendland von der CDU will zudem 1000 Verwaltungsassistenten zur Entlastung der Vollzugsbeamten/innen einstellen. An dieser Stelle entwickelte sich ein erster Disput mit dem Publikum. Schließlich werden bestimmte Arbeitsplätze für Polizisten/innen nach vielen Jahren Wachdienst, aus gesundheitlichen Gründen und hohem Lebensalter benötigt.
Die Belastung der Polizei wollen alle reduzieren. Dieses Thema führte zu „knackigen“ Kommentaren: Nach der Kölner Silvesternacht befände sich die Polizei permanent im „Minister-Schutz-Modus“, um Einsätze rund um Demos und Fußballspiele mit „Personal zu fluten“ und den Minister im Amt zu halten. Für diese authentische Einschätzung gab es viel Kopfnicken und Zustimmung.
Josefine Paul von den Grünen und Thomas Marquardt von der SPD hingegen ließen das so nicht stehen. Über den Kräfteansatz entscheide der Polizeiführer und so manche Entscheidung stünde unter dem Eindruck des erfolglosen Kesseltreibens der Opposition zum Sturz von Innenminister Ralf Jäger.
Die Lebensarbeitszeit wollen weder Regierungs- noch Oppositionsparteien antasten. Auf mehrfaches Nachfragen von Arnd Breitkopf war die Antwort insbesondere von Simone Wendland und Thomas Marquardt eindeutig: „Nein, wir werden die Lebensarbeitszeit nicht erhöhen“. Gute Gründe, um dieses Versprechen auch nach der Wahl zu halten — viele Teilnehmer machten ihrer diesbezüglichen Skepsis Luft — gab Hartmut Rulle den Politikern mit auf den Weg: Noch nie war die Altersstruktur der Polizei so schlecht wie heute. „Wir haben nicht nur zu wenig Personal. Die Polizei ist auch hoffnungslos überaltert und schiebt einen Überstundenberg von mehr als 3 Mio. Stunden seit Jahren vor sich her“. Das werde sich auch in Zukunft nicht ändern, hat alleine die Polizei Münster doch im letzten Jahr zwar 70.000 Stunden abgefeiert, gleichzeitig aber 77.000 Stunden neu aufgebaut. Da könne ausschließlich ein völlig neues Instrument wie die Einführung eines Lebensarbeitszeitkontos Abhilfe schaffen. „Handelt Politik nicht und tritt der Verfall von Mehrarbeit ein, ist das ein flächendeckender Motivationskiller“. Politik hat an dieser Stelle viel mitgeschrieben, ein konkretes Ergebnis bleibt abzuwarten.
Intensiv entwickelte sich die Diskussion zur Frauenquote. Josefine Paul hält den Ansatz des 19 VI LBG weiterhin für richtig und will diesen bis zum Landesverfassungsgericht tragen. „Dort werden wir Recht bekommen“. Dazu bekommt sie viel Unterstützung von Thomas Marquardt und der SPD. Anders sieht das die CDU. Simone Wendland hält als Rechtsanwältin und Kandidatin der CDU den gewählten Ansatz für rechtswidrig und will das LBG nach der Landtagswahl ändern. Hartmut Rulle appellierte: „Es ist nicht viel Zeit. Zum 01.06. werden neue Beurteilungen geschrieben und zum 01.07. wird es neue Beförderungsstellen geben. Will die Politik eine Klagewelle verhindern, muss der neue Landtag bereits in seiner konstituierenden Sitzung die Anwendung des 19 VI LBG aussetzen“. Aus dem Publikum wurde die Diskussion auf den Punkt gebracht: Der gesellschaftspolitische Ansatz ist richtig, die beschlossene Lösung jedoch übers Knie gebrochen, um mit aller Gewalt rasch Erfolge aufzuweisen. „Das geht zu Lasten der Kolleginnen und Kollegen“. Tosender Beifall aus dem Publikum!
Breiten Raum nahm ein untergründiges Misstrauen gegen die Polizei ein, dass in den Parteiprogrammen von Grünen und Linken zu lesen ist. Das Publikum wurde deutlich: „Man hat das Gefühl, kriminalisiert zu werden. Am Sonntag stimmen die Polizisten/innen auch über ihren Arbeitgeber ab. Diese Parteien werden es merken“. Benjamin Körner von den Linken und Josefine Paul verneinten, die Polizei unter Generalverdacht zu stellen. Dennoch standen sie zu dem Ansatz ihrer Parteien, im Einzelfall mehr Unparteilichkeit in die Polizei zu bringen.
Nach kurzweiligen zwei Stunden fand die Runde ihren Abschluss bei den Themen Zettelwirtschaft und Ausstattungsmängel sowie Defizite in Fortbildung und Gesundheitsmanagement, in die sich die Kolleginnen und Kollegen wiederum intensiv einmischten. So wurde die Überschrift der Veranstaltung zum Programm: „Meinung bilden und Meinung machen“. Vielen Dank!